Prüfung der Wahlvoraussetzungen
1. Unfähigkeit zum Schöffenamt, § 32 GVG
2. Ungeeignetheit zum Schöffenamt, § 33 GVG
3. Ausschluss bestimmter Berufe, § 34 GVG
4. Erzieherische Befähigung der Jugendschöffen, § 35 JGG
5. Praktische Befähigungskriterien
Zur Übernahme des Schöffenamtes sind nur deutsche Staatsangehörige berechtigt (§ 31 GVG) – und verpflichtet. Wer in das Amt gewählt wurde, ist zur Ablehnung nur aus bestimmten, gesetzlich geregelten Gründen berechtigt. Im Verfahren zur Aufstellung der Vorschlagsliste sind die Gemeindevertretungen und Jugendhilfeausschüsse an diese Gründe nicht gebunden und können auch nicht im Gesetz aufgeführte Gründe jeglicher Art berücksichtigen. Leitgedanke sollte sein, dass nur ein Schöffe, der sich für die Übernahme des Amtes bereit erklärt hat, dessen Anforderungen auch gerecht werden kann.
1. Unfähigkeit zum Schöffenamt, § 32 GVG
Ohne jeden Ermessensspielraum für die Wahlorgane sind Bewerber nach Maßgabe der folgenden Kriterien zwingend vom Amt ausgeschlossen:
Unfähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter, Vorstrafen
Wer infolge einer gerichtlichen Entscheidung die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter nicht besitzt, ist vom Schöffenamt ausgeschlossen (§ 32 Nr. 1 Alt. 1 GVG). Der „Verlust der Amtsfähigkeit“ tritt für fünf Jahre ein, wenn jemand wegen eines Verbrechens zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt wurde (§ 45 Abs. 1 StGB), auch wenn diese zur Bewährung ausgesetzt worden ist. Der Verlust kann auch wegen einer Tat, bei der das Gesetz diesen Verlust als Nebenfolge zulässt (§ 45 Abs. 2 StGB), vom Gericht für zwei bis fünf Jahre angeordnet werden. Ebenfalls unfähig zum Schöffenamt ist, wer wegen einer vorsätzlichen Tat zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe (auch bei Bewährung) von mehr als sechs Monaten verurteilt wurde (§ 32 Nr. 1 Alt. 2 GVG).
Ermittlungsverfahren
Personen, gegen die ein Ermittlungsverfahren wegen einer Tat schwebt, die den Verlust der Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter zur Folge haben kann, sind unfähig, das Schöffenamt zu bekleiden (§ 32 Nr. 2 GVG). Das ist zum einen bei jedem Vorwurf eines Verbrechens (§ 45 Abs. 1 StGB) der Fall, zum anderen bei Verfahren wegen solcher Delikte, bei denen die Möglichkeit des Verlustes der Amtsfähigkeit ausdrücklich vorgesehen ist (§ 45 Abs. 2 StGB).
Mangelnde Verfassungstreue
Die Bewerber dürfen nicht gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder Rechtsstaatlichkeit verstoßen haben oder als hauptamtliche oder inoffizielle Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes der DDR bzw. ihnen gleichgestellte Personen tätig gewesen sein (§ 44a DRiG). Allerdings tritt der Ausschluss vom Schöffenamt im Fall der Mitarbeit für die Staatssicherheit nicht automatisch ein, sondern nur dann, wenn in einem zweiten Schritt festgestellt wird, dass der Bewerber wegen der Tätigkeit „für das Amt eines ehrenamtlichen Richters nicht geeignet" ist. In entsprechender Anwendung des § 51 Abs. 1 GVG sind Personen vom Schöffenamt ausgeschlossen, die die verfassungsmäßige Ordnung aktiv bekämpfen. Da aktive Schöffen nach dieser Vorschrift wegen Verletzung ihrer Amtspflichen aus dem Amt entlassen werden können, ist es logisch, dass bei entsprechender Einstellung Bewerber erst gar nicht gewählt werden. Da niemand gewählt werden kann, der nicht auf der Vorschlagsliste seiner Kommune oder des Jugendhilfeausschusses steht, haben die Kommunen das effektivste Mittel in der Hand, die Wahl eines extremistischen, populistischen, staatsleugnenden Bewerbers zu verhindern; dasselbe gilt im Übrigen für völlig desinteressierte Personen.
2. Ungeeignetheit zum Schöffenamt, § 33 GVG
Zur Übernahme des Schöffenamtes ungeeignet sind nach § 33 und 34 GVG bestimmte Personen und Berufsgruppen, die nicht zu Schöffen gewählt werden „sollen“. „Soll“ bedeutet nicht, dass Vertretung, Jugendhilfeausschuss oder Schöffenwahlausschuss einen Ermessensspielraum hätten, in Ausnahmefällen von den Ausschlussgründen abzuweichen. Der Verstoß gegen diese Ausschlussgründe macht die Wahl zum Schöffen lediglich nicht von Anfang an unwirksam. Er kann aber in der Hauptverhandlung gerügt werden mit der Folge, dass der Schöffe entweder von der Hauptverhandlung ausgeschlossen oder – bei Ablehnung des Ausschlusses – eine Revision gegen das Urteil mit diesem Verstoß gerügt wird.
Alter, § 33 Nr. 1 und 2 GVG
Schöffen müssen bei Amtsantritt mindestens 25 Jahre alt und dürfen nicht älter als 69 Jahre sein. Der entscheidende Stichtag, nach dem das Alter festzustellen ist, ist der 01.01.2024 (Beginn der Amtsperiode). Wer am 01.01.2024 Geburtstag hat und 25 Jahre alt wird, darf gewählt werden; wer an diesem Tag 70 Jahre alt wird, darf nicht mehr gewählt werden (§ 187 Abs. 2 Satz 2 BGB).
Wohnung, § 33 Nr. 3 GVG
Bewerber müssen zum Zeitpunkt der Aufstellung (Beschluss) der Vorschlagsliste in der Gemeinde bzw. im Zuständigkeitsbereich des Jugendhilfeausschusses wohnen. Das GVG stellt auf den zivilrechtlichen Begriff der „Wohnung“ (§ 7 Abs. 1 und 2 BGB) ab. Auch ein melderechtlicher zweiter Wohnsitz reicht aus, wenn sich der Bewerber überwiegend in der Gemeinde, in der er gewählt werden soll, aufhält.
Gesundheitliche Gründe, § 33 Nr. 4 GVG
Schöffen müssen gesundheitlich, d. h. geistig und körperlich geeignet sein, das Amt auszuüben. Eine Geisteskrankheit schließt einen Bewerber in jedem Fall aus, ebenso Taubheit oder ausgeprägte Schwerhörigkeit, da in der Hauptverhandlung das Prinzip der Mündlichkeit verletzt wäre. Streitig ist, ob Blindheit vom Schöffenamt ausschließt. Das BVerfG hat in einem Einzelfall den Ausschluss eines blinden Schöffen nicht für einen Verfassungsverstoß gehalten. Einzelne Prozessgerichte haben die Auffassung vertreten, dass blinde Menschen über eine Wahrnehmungsfähigkeit verfügen, die Sehenden nicht eigen ist. Nach Auffassung des EuGH ist die Beurteilung im Einzelfall vorzunehmen. Blinde Personen seien nicht generell vom Schöffenamt ausgeschlossen (Urteil vom 21.10.2021, C-824/19, RohR 2021, S. 148 mit Anmerkung Lieber). Auch ein stummer Richter ist nicht notwendigerweise als ungeeignet anzusehen.
Sprachliche Eignung, § 33 Nr. 5 GVG
Der Gesetzgeber hat die (eigentlich völlig selbstverständliche) Regelung getroffen, dass Schöffen die deutsche Sprache beherrschen müssen. Unklar ist nach dem Gesetzestext, ob zum Beherrschen der Sprache auch die Fähigkeit zu sprechen gehört. Der Analphabetismus kommt dem Mangel der Beherrschung der Sprache gleich, auch wenn das Gesetz ihn nicht ausdrücklich erwähnt.
Vermögensverfall, § 33 Nr. 6 GVG
Der Vermögensverfall ist ein Oberbegriff für alle Tatbestände der Insolvenz: drohende oder eingetretene Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung. Zahlungsunfähig ist, wer nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen (§ 17 Abs. 2 InsO). Zahlungsunfähigkeit droht, wenn der Schuldner „voraussichtlich“ nicht in der Lage sein wird, bestehende Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen (§ 18 Abs. 2 InsO). Überschuldung (§ 19 Abs. 2 InsO) liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt.
Auch Personen, gegen die das Verbraucherinsolvenzverfahren (sog. Privatinsolvenz) betrieben wird, können vom Schöffenamt ausgeschlossen sein. Dieses Verfahren richtet sich gegen in Vermögensverfall geratene natürliche Personen, die keine oder nur eine geringfügige selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit ausüben (§ 304 Abs. 1 InsO).
3. Ausschluss bestimmter Berufe, § 34 GVG
Weiterhin sollen Angehörige bestimmter Berufe nicht zum Schöffenamt berufen werden, die aus Gründen der Gewaltenteilung oder der Verpflichtung gegenüber anderen Grundsätzen als dem staatlichen Recht als ungeeignet für das Schöffenamt gelten (§ 34 GVG). Dazu gehören politische Spitzenämter (Staatsoberhaupt, Regierung, Politische Beamte) und justiz(nahe) Berufe, wie Staats- und Amtsanwälte, Polizeivollzugsbeamte, Rechtsanwälte, Notare, gerichtliche Vollstreckungsbeamte, Bedienstete des Strafvollzugs, Gerichtshelfer, Jugendgerichtshelfer, Bewährungshelfer. Auch Religionsdiener und Mitglieder religiöser Vereinigungen sollen nicht zu Schöffen gewählt werden.
4. Erzieherische Befähigung der Jugendschöffen, § 35 JGG
Zu Jugendschöffen sollen nur erzieherisch befähigte und in der Jugenderziehung erfahrene Personen vorgeschlagen werden (§ 35 Abs. 2 Satz 2 JGG). Anhaltspunkte für die Qualifikation ergeben sich nicht nur aus beruflicher Tätigkeit, sondern auch aus ehrenamtlicher Tätigkeit im Bereich von Jugendverbänden, Jugendhilfe- und Freizeiteinrichtungen, im schulischen und sportlichen Bereich, als Ausbilder in einem Unternehmen sowie im Rahmen privater Erziehungs- und Betreuungstätigkeit.
5. Praktische Befähigungskriterien
Auch wenn an die Schöffen keine besonderen Anforderungen im Sinne einer formalen Qualifikation gestellt werden, kann nicht bestritten werden, dass sich nicht jede/r in gleicher Weise eignet, über andere Menschen zu Gericht zu sitzen. Das Amt verlangt aus sich heraus bestimmte Eigenschaften. Schöffen sollen einwandfreie, kluge, rechtlich denkende, unvoreingenommene Personen sein, deren Fähigkeiten sich so beschreiben lassen:
- soziale Kompetenz
- Menschenkenntnis und Einfühlungsvermögen
- logisches Denkvermögen und Intuition
- berufliche Erfahrung
- Vorurteilsfreiheit auch in extremen Situationen
- Kenntnisse über die Grundlagen des Strafverfahrens, die Bedeutung von Kriminalität und Strafe sowie die Bedeutung der Rolle der Schöffen
- Mut zum Richten über Menschen, Verantwortungsbewusstsein für den Eingriff in das Leben anderer Menschen,
- Gerechtigkeitssinn, Denken in gerechten Kategorien
- Standfestigkeit und Flexibilität im Vertreten der eigenen Meinung
- Kommunikations- und Dialogfähigkeit.
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Schöffenwahl 2023
Ziel der Kampagne der PariJus gGmbH ist, die Qualität der Beteiligung des Volkes an der Strafjustiz und damit die Rechtsprechung insgesamt zu verbessern.